Predigt über 2 Tim 1,7
Liebe Gemeinde, liebe Familie Bader,
der Taufspruch von Oskar stammt, wie gehört aus 1 Timotheus 1,7 und heißt:
Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.
Keinen Geist der Furcht. Es gibt in der großen wie in unserer kleinen Welt ja wirklich genug Gründe um sich zu fürchten, sich Sorgen zu machen.
Eine entscheidende Botschaft der Bibel aber heißt. Fürchte dich nicht. Fürchtet euch nicht, denn ich bin bei euch, sagt Gott. Sagt Jesus. Ich habe mal gelesen, dass diese drei Worte Fürchte dich nicht 365 mal in der Bibel vorkommen. Ich hab´s nicht nachgezählt, aber der Sinn ist deutlich.
Und so auch in unserem Spruch heute: Keinen Geist der Furcht. Sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
Jetzt habe ich aber gleich ein entscheidendes Wort, vielleicht sogar das entscheidende Wort übergangen: gegeben. Geschenkt. Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
Gegeben.
Leben ist ein Geschenk – das spürt man besonders bei Kindern. Bei Oskar, bei Matilda, aber überhaupt bei allen Kindern. Ein Geschenk, uns gegeben, uns anvertraut.
Und über Kinder und Leben hinaus – ich denke oft, wie viel im Leben ist Geschenk, Gabe, unverdient. Von Gesundheit und Freunden bis hin zur Freiheit in unserem Land, dass Frieden herrscht, dass die meisten von uns genug und mehr als genug haben.
Ich denke manchmal, es ist so viel Bitterkeit da, weil wir meinen, wir hätten auf dies und jenes ein Anrecht – aber letztlich ist fast alles Gabe, Geschenk.
Achten wir es als Gaben, mit Dankbarkeit, als Geschenke, für die wir aber auch verantwortlich sind. Für die Kinder, für das Leben, für die Freiheit, und dass wir das, was wir haben, nutzen für diejenigen, die nicht viel haben. Menschen in den armen Ländern, für die Natur, für Lebewesen, die vom Aussterben bedroht sind.
Gabe und Auf-Gabe liegt nicht nur sprachlich eng beieinander.
Unser Vers heißt: Gott hat uns einen Geist gegeben – als Christinnen und Christen denken wir an den Heiligen Geist, jetzt eine Woche vor Pfingsten schon mal. An den guten Geist, den Gott in unser Leben gibt.
Vor ein paar Wochen hatte ich ein Taufgespräch - und da hat mich jemand, der ursprünglich der neuapostolischen Kirche angehörte, gefragt: bekommt man den Heiligen Geist bei der Taufe? Bei den Neuapostolischen ist das anders, da sind – durchaus in biblischer Tradition - Taufe und Geist-Taufe getrennt.
Ich habe gesagt: ja, nach meinem Verständnis gehört das zusammen. Gott macht keine halben Geschenke, sondern er schenkt sich ganz. Also nicht nur so ein bisschen – und den Rest muss man sich dann selbst erarbeiten oder er-glauben, sondern schon bei der Taufe gibt er sich ganz. Mit seinem guten, heilsamen Geist, der uns leiten und führen will.
Dennoch stimmt natürlich auch, dass man, um die Größe des Geschenkes und das Tragende zu erfassen, zu begreifen, Begleitung braucht.
Und ich finde in diesem Zusammenhang etwas besonderes, die Verse vor diesem Taufspruch von Oskar zu lesen, im 2 Timotheusbrief.
Da spricht der Apostel Paulus davon, dass die Großmutter und die Mutter des Timotheus denselben Glauben haben, den sie weitergegeben haben. Wie wichtig sind für den Glauben und für die Werte auf der Lebensreise die Großmütter und Großväter. Die Großmütter oft in ganz besonderer Weise. Dazu aber eben auch die Eltern, die Paten, die Freunde.
Auch durch sie gibt Gott seinen Geist weiter. Den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.
Aber nun: welchen Geist gibt Gott?
Gott gibt den Geist der Kraft.
Gemeint ist nicht die Kraft der Athleten, der Muskelstärke. Nicht die Kraft durch Geld, Verstand oder Waffenstärke, oder Brachiales, wie wir es in der Politik zur Zeit erleben.
Paulus sagt an anderer Stelle: es ist die Kraft, die in den Schwachen mächtig ist. "Dynamis" heißt das griech. Wort im Urtext. Es ist die Dynamik, die Menschen ergreift und die von Menschen ausgeht, in denen der Geist Gottes am Werke ist,
- die Kraft, die Mauern zwischen Menschen und Völkern sprengt,
- die Kraft, trotz aller Traditionen neue Wege zu suchen und zu gehen,
- die Kraft, die auch in Rückschlägen, Leid und Enttäuschungen nicht aufgibt, sondern Neuland erspäht,
- die Kraft, die Krankes wieder heil macht. Krankes in vielerlei Hinsicht.
Bei Jesaja (40,31) heißt es einmal:
"Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler, daß sie laufen und nicht müde werden, daß sie wandeln und nicht matt werden".
Gott gibt den Geist der Liebe.
Das ist mehr als ein bisschen Wärme und Mitgefühl, alles andere als eine passive Verhaltensweise.
Ich sag's einmal auf dem Hintergrund der Geschichte vom verlorenen Sohn, die Sie alle kennen: "Geist der Liebe" ist, einen anderen Menschen nicht zu binden und einzuengen, sondern ihm oder ihr Freiheit zu lassen, wenn er seinen eigenen Weg gehen möchte.
"Geist der Liebe" ist aber auch, die Tür offen zu halten, ja voll Sehnsucht nach allen Geschwistern Ausschau zu halten.
"Geist der Liebe" ist möglich, wo Menschen Schuld eingestehen, verzeihen und fröhlich feiern können.
Und wo der "Geist der Liebe" ist, treten Egoismus und Neid, ein anderer könnte bevorzugt sein, in den Hintergrund. Diesen Geist der Liebe möchte Gott uns schenken.
Und schließlich: Gott gibt den Geist der Besonnenheit.
Ich schätze Menschen sehr, die die Gabe der Besonnenheit haben. Kluge, weise Ratgeber, die sich nicht so schnell aus der Fassung bringen lassen. Die vernünftig wägen und abwägen.
Auch beim und im Glauben soll man seinen Verstand einschalten. Nicht allem unbesehen glauben.
Zur Besonnenheit gehört die Sache, auf vorschnelle Worte zu verzichten - aus Zorn oder Unbedachtsamkeit, die so viel verderben.
Dazu gehört gewiss auch, sich nicht von jedem neuen Lüftchen in eine andere Richtung drängen zu lassen, sondern besonnen Kurs zu halten.
Dazu gehört, sich von schnellen, leichten Lösungen zu verabschieden, sondern mutig und beharrlich die kleinen Schritte zu tun, die zum Ziel führen.
Und nicht zuletzt beinhaltet dies die Besinnlichkeit, die sich Zeit nimmt, Gottes Wort und das Gebet als Kraftquelle zu nutzen und auszuschöpfen.
Ein letztes: dieser Geist ist nicht etwas nur individuelles, sondern ein Geist, der hoffentlich uns insgesamt als Christen und Christinnen auszeichnet: ein Geist nicht der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. Es ist eben dieser Geist, den Gott schenkt.
Amen